Calling All Dawns: Stück für Stück (Teil 6)

Willkommen zum sechsten Teil unserer Vorstellung des Weltmusikalbums „Calling All Dawns“, welches aus drei Sätzen besteht. Die ersten fünf Lieder symbolisieren den „Tag“, worauf die „Nacht“ mit drei Titeln folgt. Die „Dämmerung“ besteht aus vier Titeln, von denen wir die ersten beiden heute vorstellen.

9. Hayom Kadosh

Der neunte Titel des Albums lautet aus dem Hebräischen übersetzt „Today Is Sacred“, also „Der heutige Tag ist heilig“. Der Liedtext geht dabei auf das Buch Nehemia im Alten Testament zurück und ist damit sowohl im jüdischen als auch im christlichen Glauben verankert.
Inhaltlich handelt der Text vom Wiederaufbau der Stadtmauer Jerusalems, welche 587 vor Christus im Krieg zwischen Babylon und Judäa vom babylonischen König Nebukadnezzar zerstört wurde.

Das Bild der Dämmerung, die nach der Nacht einen neuen Tag einläutet, passt zum Wiederaufbau der Stadt nach der Befreiung aus dem Babylonischen Exil ca. 530 v. Chr: Nach einem dunklen Zeitalter werden Hindernisse überwunden und es gibt neue Hoffnung. Auch musikalisch findet man dieses Motiv im Titel wieder: Der dritte Satz markiert einen neuen Anfang und baut sich aus der Stille langsam auf. Dabei werden einzelne Themen und Motive der früheren Lieder aufgegriffen – vor Allem aus dem „Tag“, aber auch einzelne „positive“ Aspekte der „Nacht“.

Logos IMPULS, Bundesmusikverband Chor & Orchester e.V, Förderprogramm Neustart Kultur & der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Dieses Projekt wird im Rahmen des bundesweiten Programms IMPULS gefördert.

Wenn man sich mit den Details beschäftigt, sind bei Hayom Kadosh noch einige Dinge nennenswert: So kann man in der Wahl der Sprache symbolische Bedeutung sehen: Die Dämmerung markiert den Beginn eines neuen Tages und beginnt mit dem Sonnenaufgang – welche im Orient (also im weiteren Sinne auch im Nahen Osten) aufgeht.

Ebenso fällt auf, dass das gesamte Album ohne Pause zwischen den Stücken aufgeführt werden kann, aber die meisten Übergänge eine kurze Zäsur für Musiker und Zuhörer erlauben. Hayom Kadosh ist mit ca. 1:50 Minuten Dauer der kürzeste Titel des Werkes und geht nahtlos in das nächste Stück über, so dass die beiden zusammen gespielt werden müssen – es scheint, als ginge Hebräisch direkt in Persisch über.
Die Rückkehr der Juden aus dem Babylonischen Exil nach Jerusalem und der Wiederaufbau der Stadtmauer wurden möglich, nachdem das Altpersische Reich Babylon erobert hatte.

10. Hamsáfár

Der zweite Titel der „Dämmerung“/die zweite Liedhälfte des Hebräischen Hayom Kadosh führt den Zuhörer geographisch weiter nach Osten, in Regionen in denen Farsi („Persisch“) gesprochen wird. Historisch ist der Sprung 1600 Jahre nach vorne deutlich größer als der geographische: Der Liedtext geht auf eine Gedichtesammlung des Persischen Dichter, Philosophen und Mathematiker Omar Khayyam zurück, der im 11. Jahrhundert im heutigen Iran gelebt hat. Auch wenn Omar tief im islamischen Glauben verwurzelt war, war er eher ein religiöser Skeptiker, was sich auch in seinen Gedichten wieder findet: Der Liedtext ermuntert, in Anbetracht der Vergänglichkeit des Lebens die irdischen Freuden zu genießen!

„Hamsáfár” im Refrain bedeutet dabei „journey together“ oder „lass uns zusammen losziehen“ und soll die Menschen zum Zusammenhalten und Zusammenstehen aufrufen. Damit hat der Text inhaltliche Parallelen zum Titel “Se É Pra Vir Que Venha“: Beide fordern, mit den Dingen im Hier und Jetzt zufrieden zu sein und auch musikalisch findet man Motive aus dem vierten Titel des „Tages“ in „Hamsáfár” wieder.